Die Kraft des Event Experience Designs (Podcast)

Die Frage wie die besten Services entstehen, die Menschen brauchen und die sinnvoll sind, beschäftigt mich schon ein paar Jahre in meinen Projekten im Bereich Touristik, Produktentwicklung und natürlich bei meinen Coachings für Startups. Das Buzzword dazu ist Service Design Thinking und mit Daniela habe ich in der 30. ffluidcast Folge schon ausführlich über Definitionen und Umsetzung gesprochen. Ein spezieller Bereich, der mich allerdings schon immer interessierte, ist das Event Experience Design. Also die Frage wie man die perfekte Konferenz, das sinnvollste Meetup und wirklich funktionierende Meetings entwickelt. Natürlich habe ich für die heutige Podcastfolge wieder eine Expertin dafür rangeholt: Claudia Brückner.

Warum es Event Experience Design braucht

Claudia, die genau denselben Fahrradmechaniker hat wie ich, ist gebürtige Thüringerin und beschäftigt sich seit Jahren mit Event Experience Design und ist als Innovation Facilitator und Coach unterwegs. Über sich selbst sagt sie, dass sie Eventformate und Konzepte — für große Konferenzen und Workshops entwickelt, mit dem Ziel menschliche Interaktionen zu schaffen, die sinnvoll und von Dauer sind. In dem Feld der Gestaltung für Konferenzen und Meetups verschiedenster Art gibt es enormen Nachholbedarf. Claudia hat dazu eine klare Meinung:

„Wir leben im 21. Jahrhundert, können uns permanent über alles informieren und miteinander kollaborieren und kommen dann auf eine Konferenz, wo nur Keynotes laufen. Wir müssen still sein, keiner fragt uns und das gesammelte Wissen im Raum ist verloren, sobald der Sprecher die Bühne verlässt. Das ist nicht zeitgemäß und bringt niemandem etwas.“ Claudia Brückner

Wie kann also die Erfahrung von Meetings, Workshop und Konferenzen so gestalten, dass die Teilnehmer nicht nur Inhalte mitnehmen, sondern diese idealerweise mit dem anwesenden Wissen im Raum reflektieren und dazu auch noch bedeutungsvolle Kontakte knüpfen? Claudia verwendet für ihre Analysen und die Konzeption Methoden aus dem Bereich Service Design und Design Thinking. Sie entwickelt eine sogenannte Customer Journey, ein möglichst komplettes durch Interviews und Feedback von Teilnehmern gestütztes Bild der Konferenz von Ticketkauf bis Ende. Welche Leute wollen wir haben? Welche Atmosphäre wollen wir haben? Warum braucht es diese Austauschveranstaltung? Was ist das „Why“, der Hauptgrund dafür, dass sich Teilnehmer Tickets für eine Konferenz kaufen? Veranstalter, die das nicht beantworten können, sollten es lieber bleiben lassen. Hier ist noch viel Alphabetisierungsarbeit zu leisten, so Claudia.

Die 11 Star Experience einer Konferenz

Als Zusatz zu all den Tools, Tricks und Hacks die Claudia und ich in dem Podcast besprechen, möchte ich die Idee der 11-Star-Experience anführen die von Sam Altman kommt, dem aktuellem Y-Combinator Präsident, der berühmtesten Startup Schmiede des Silicon Valley. Laut Sam kann ein Startup nur wirklich erfolgreich sein, wenn der angebotene Service so gut ist, dass er einen besonders hohen Wert auf der 11-Star-Experience Skala erreicht. Hierzu stellt man sich die Frage, welche Zusatzangebote, Specials und atemberaubenden Extras es ab dem Wert 6 (durchschnittlich) bis 11 (superfantastisch) geben kann, damit es das bestmögliche Produkt oder Service sein kann, das es weltweit gibt. Spielen wir das doch einmal an einer Konferenz durch:

  • : „Die Konferenz war ganz Ok, so wie jede andere. Viel Wartezeit beim Check-In, viele Keynotes, viel kalter Kaffee. Nichts Besonderes. Ich gehe nächstes Jahr eher nicht nochmal dahin.“
  • : „Die Konferenz war echt gut, es gab Pre-Checkins die enorm Zeit sparten, es gab ganz tolle internationale Speaker, die Frauenquote war endlich mal vernünftig und es waren tolle Leute da. Ich komme wieder, wenn ich Zeit habe.“
  • : „Oh wow, es gab eine persönliche Begrüßung mit Handschlag und Einladung zum Kaffee vom Event-Team, meine Themenvorschläge sind in die Sessionplanung mit eingegangen, Speaker haben sich auf Anfrage mit mir persönlich getroffen. Ich empfehle allen diese Konferenz weiter und komme definitiv wieder!“
  • : „Wahnsinn!! Es gab einen Shuttle-Service vom Bahnhof mit persönlicher Begrüßung, mir wurden Empfehlungen und Arrangements zum Kennenlernen von Teilnehmern und Speakern live während der Konferenz gemacht. Ich habe die wertvollsten Treffen jemals gehabt. Sehr sehr empfehlenswert!“
  • : „Ich fühlte mich wie ein Star: Flug 1. Klasse und die Ankunft dann mit Begrüßungszeremonie aller Konferenzorganisatoren und 3.000 Zuschauer, es gab eine persönliche Ansprache der Bundeskanzlerin, Presseinterviews und das rundum sorglos Paket in der VIP Lounge. Das Beste: Der garantierte Sitzplatz in der Sänfte vor der ersten Reihe. Wahnsinn. Ich würde alles tun, nochmal zu dieser Konferenz zu kommen!“
  • : „Diese Konferenz hat mein Leben verändert. Ich konnte erst nicht glauben, dass die Konferenz auf die Weltraumstation ISS verlegt wird. Als mich dann Elon Musk abholte und ich den ersten bemannten Space X Flug zur ersten Space Conference der Welt machte, war ich einfach nur sprachlos. Es gab einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde und bei Wikipedia für mich und ich bin jetzt Ehrenweltenbürger der UN. We are all stardust baby. Ich zittere immer noch am ganzen Körper!“

Natürlich wird es ab dem 10. Stern leicht unrealistisch, aber wenn die Auswahl zwischen kaltem Kaffee und Weltraumreise liegt, entwickeln sich plötzlich ganz andere Perspektiven. Letztlich kommt man auch so dem „Why“ einer Konferenz auf die Spur. Natürlich liegt der Kern der Erfahrung immer in einem guten Kundenerlebnis.

Anders denken: Netzwerken für Introvertierte

Der Mut dazu neue Wege zu gehen und anders zu denken, ist nicht selbstverständlich. Was Claudia oft gefragt wird, ist: „Was kommt denn dabei raus bei dem Event Experience Design Prozess?“ Die Antwort kann ehrlicherweise nur sein: „Das weiß ich noch nicht, es ist ein laufender Prozess.“ Natürlich kann Claudia dabei auf umfangreiche Referenzen und tief gehender Erfahrung zurückgreifen, sei es ihre Arbeit für die re:publica, das Service Experience Camp oder Kunden wie BASF und das Fraunhofer-Marketing-Netzwerk. Es gibt sie also, Menschen die sich auf diese andere Art zu denken einlassen. Und das ist gut so, denn lieber man findet früh genug raus, dass sich keiner für das geplante Event interessiert, als dass man ein Event macht, das zwar Arbeit macht aber nicht läuft. Und mit den richtigen Fragen geht das wunderbar, wie Claudia beweist.

Ein Thema, was ich während unseres Interviews auch besonders spannend fand, war die Frage wie man einen Raum bauen kann, der auch für introvertierte Menschen funktioniert. Wie kann man verhindern, dass nur diejenigen die am lautesten schreien die ganz Agenda bei Diskussionen bestimmen? Hierzu habe ich übrigens vor ein paar Tagen dieses Fundstück gemacht, ein Interview, das Ute Blindert mit Barbara Lampl geführt hat, zum Thema „Wie netzwerken Autisten?“. Die Ideen wie z.B. Räume zu schaffen, wo man auf Teilnehmer zugehen kann, die eine Flasche Wasser mit Gläsern an einem Stehtisch bereitstehen haben. Damit umgeht man die Hürde andere anzusprechen. Oder es gibt eine geschickte Moderation in Q&A Runden bei Keynotes, wo nicht Wortmeldungen, sondern Tweets vorgelesen werden. Auch wäre es laut Claudia sehr schlau einen Raum zu schaffen, wo nur reflektiert wird, statt immer nur Inhalte zu vermitteln. Veranstalter sollten mehr Mut haben, z.B. eine ganze Stunde Anleitung zu geben für die methodische Reflexion der Inhalte.

Vielen Dank an dieser Stelle an Claudia für dieses gehaltvolle Interview für den ffluidcast. Auf das es mehr Events gibt die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die Welt braucht das.

Shownotes & Credits:

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